Lake Taupo und der Neandertaler

Juli 22, 2009 Aus Von Marc Szeglat

In den letzten Tagen häuften sich Berichte um neue Forschungsergebnisse, nach denen der Neandertaler aufgrund einer zu geringen Population von höchstens 10.000 Individuen ausgestorben sein soll. So eine kleine Population wäre besonders für Krankheiten und Hungersnöte anfällig. Die Wissenschaftler kamen zu diesem Ergebnis mit Hilfe moderner Genanalysen. Ähnliche Analysen bestätigten, dass der Homo sapiens ebenfalls durch das genetisches Nadelöhr einer sehr geringen Population ging, und zwar vor gut 72.000 Jahren. Damals brach der Vulkan Toba auf Sumatra in einer sogenannten „Supervulkan-Eruption“ aus und verursachte einen globalen Temperaturrückgang. Die Durchschnittstemperatur sank um 15 Grad Celsius. Vermutlich wurden durch dieses Ereignis die 1000 kältesten Jahre der Würmeiszeit ausgelöst. Die Population des modernen Menschen verringerte sich in dieser Zeit ebenfalls auf höchstens 10.000 Individuen, manche Quellen gehen von nur 2000 Menschen aus. Die Menschheit stand kurz vor dem Aussterben, ähnlich wie der Gorilla heute, von dem es auch nur noch knapp 2000 Exemplare gibt.
 

Aktuelle Diskussionen um den Neandertaler spekulieren darüber, dass der Homo sapiens den Neandertaler ausrottete. Hier ist sogar von Kannibalismus die Rede. Aber was kann der Auslöser für so ein Verhalten gewesen sein? Was kann eine Hungersnot, oder den Ausbruch von Seuchen bedingt haben, sodass sich vielleicht sogar Homo sapiens genötigt sah, seinen Verwandten, den Neandertaler zu verspeisen? Bei so einer geringen Population, die sich zudem über 4 Kontinente verteilte, dürfte kaum der Bevölkerungsdruck Grund für so ein Verhalten gewesen sein.

Interessanter Weise fällt eine weitere Supervulkan-Eruption in den Zeitraum, als der Neandertaler von der Bühne des Lebens verschwand. Vor 26.500 Jahren eruptierte der Vulkan Taupo auf Neuseeland in einem VEI 8 Ausbruch. Die sogenannte Oruanui-Eruption setzte mehrere Hundert Kubikkilometer Lava frei. Paläoklimatologen entdeckten in grönländischen Eisbohrkernen eine Säureanomalie die mit diesem Ausbruch korreliert wurde. Ein Indiz dafür, dass sich Aerosole und Aschepartikel der Oruanui-Eruption global verteilten. Es kann angenommen werden, dass diese Eruption ebenfalls einen vulkanischen Winter auslöste, bzw. die immer noch herrschende Eiszeit verstärkte, ähnlich wie es sich nach der Toba-Eruption zugetragen hatte. Gegenüber der Toba-Eruption sind der Taupo-Ausbruch und seine Auswirkungen recht wenig erforscht. Auf jeden Fall war die Oruanui-Eruption der stärkste Vulkanausbruch seit Toba. Dieser förderte ca. 2100 Kubikkilometer Lava. In Bezug auf Taupo schwanken die Zahlen stark. Am zuverlässigsten erscheint mir der Wert von 530 Kubikkilometern geförderter Lava, den neuseeländische Vulkanologen ermittelten. Damit wäre die Taupo-Eruption ungefähr um den Faktor 4 schwächer gewesen, als die des Tobas. Bedenkt man, dass selbst die vergleichsweise schwache Eruption des Pinatubo (VEI 6 mit ca. 10 Kubikkilometern geförderter Lava) im Jahre 1991 die globale Durchschnittstemperatur im Folgejahr der Eruption um 0,5 Grad senkte, scheint eine signifikante Abkühlung der Lufttemperatur durch den Ausbruch des Taupo mehr als nur wahrscheinlich. In dessen Folge könnten sich die Lebensbedingungen von Homo sapiens und Neandertaler soweit verschlechtert haben, dass der Neandertaler ausstarb.